Pläne des tschechischen Schulministeriums zum Fremdsprachenunterricht sorgten in den vergangenen Monaten für Aufregung. Aus dem Ministerium sind erste versöhnliche Töne zu hören.
Im Frühjahr entbrannte eine Debatte um die geplante Abschaffung der verpflichtenden zweiten Fremdsprache an Tschechiens Grundschulen
(bis Klassenstufe 9) im Zuge einer Reform des Rahmenbildungsprogramms. Eine vom tschechischen Schulministerium beauftragte Expertenkommission war zu der Ansicht gekommen, dass die Schüler vom Lernen einer zweiten Fremdspracheüberfordert seien. Da Deutsch die meistgewählte zweite Fremdsprache in Tschechien ist, stieß die Thematik hauptsächlich bei der deutschen Minderheit sowie Organisationen der deutsch-tschechischen Zusammenarbeit auf starken Widerspruch. „Deutsch ist für uns, die deutsche Minderheit, die Muttersprache, für viele in der Tschechischen Republik die Unterrichtssprache, aber auch eine Kultursprache, wenn man bedenkt, dass mindestens ein Drittel des gesamten Kulturerbes Tschechiens über Jahrhunderte durch die deutschsprachige Bevölkerung geprägt wurde“, so Martin Herbert Dzingel, Präsident der Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik.
Seit der Entwurf des Schulministeriums im Raum steht, gab es Protestbriefe verschiedener Organisationen, Online-Petitionen zum Erhalt der zweiten Pflichtfremdsprache sowie ein Treffen der Botschafter Deutschlands, Frankreichs, Italiens und Spaniens mit dem Schulminister Balaš. Bis Ende April konnten über eine Webseite des Schulministeriums Kommentare zum neuen Rahmenbildungsprogramm abgegeben werden. Unklar ist, wie es nun mit der zweiten Fremdsprache weitergeht und wie die geäußerte Kritik an den Plänen weitergehend berücksichtigt wird. Geplant war, dass die ersten Schulen ab September 2024 die neue Lehrplanverordnung umsetzen, bevor sie ab 2025 für alle in Kraft tritt.
Optimistische Töne aus dem Bildungsministerium
Seit mehr als 800 Jahren ist die deutsche Sprache in Böhmen zuhause. Das von der Leitung der Grundschule der deutsch-tschechischen Verständigung und dem Thomas-Mann-Gymnasium in Prag in Zusammenarbeit mit der Landesversammlung im Jahr 2020 ins Leben gerufene Projekt „DEUKS“ („Deutsch als Unterrichts- und Kultursprache“) will dafür sorgen, dass dies auch so bleibt. Bei einer im Rahmen des DEUKS-Projekts organisierten Konferenz vom 19. Bis 21. Oktober im Schulministerium wurde die Zusammenkunft unter anderem dafür genutzt, die geplante Abschaffung der verpflichtenden zweiten Fremdspracheerneut zur Sprache zu bringen. Der Staatssekretär des Schulministeriums, Jindřich Fryč, bezog Stellung zu der in den vergangenen Monaten von vielen Seitengeäußerten Kritik: Demnach gebe es in dieser Debatte noch keine endgültige Entscheidung, das Schulministerium sei offen für Anregungen und Diskussion. Fryč machte in seiner Rede ebenfalls auf die Herausforderungen der vergangenen Jahre aufmerksam, welche die Ausbildung sowohl für Schüler als auch Lehrer beeinflusst haben. Nicht nur zwei Jahre Corona-Pandemie. Auch dass aktuell rund 60.000 ukrainische Kinder in tschechische Schulen aufgenommen wurden, ist eine neue Situation. Fremdsprachenseien im Schulministerium deshalb immer wieder als Diskussionspunkt präsent, so Fryč. „Wir müssen die Fremdsprachen nicht nur lernen, sondern auch beherrschen“, fügte der Staatssekretär hinzu.
Innenministerbezieht Stellung
Bei einem Besuch in der bayrischen Hauptstadt im Septemberäußerte sich der tschechische Innenminister Vít Rakušan (STAN) ebenfalls zu der geplanten Reform. „Ich bin dafür, dass auch in Zukunft in der Grundschule eine zweite Fremdspracheunterrichtet wird“, gab Tschechiens Innenminister dem nach gegenüber der Sudetendeutschen Zeitung an. Mit dieser Aussage positionierte er sich überraschend gegen seinen Partei- und Ministerkollegen Vladimír Balaš, welcher noch bei Amtsantritt im Juli seine Befürwortung für die Abschaffung kundtat und damit an den Kurs seines Vorgängers und Initiator der Debatte, Petr Gazdík (der im Juni im Zuge einer Korruptionsaffäre zurückgetreten ist), anknüpfte. Rakušan räumte jedoch ein, dass es für Schüler mit Lernschwierigkeiten Ausnahmeregelungen geben sollte und in diesem Fall die Zwei-Fremdsprachen-Regelung außer Kraft treten könne. Möglicherweise könnte am Ende also ein Kompromiss stehen. Noch keine Stellung in der Debatte bezog Tschechiens Regierungschef Petr Fiala (ODS). Dieser hatte 2013, in seiner Zeit als Schulminister, die zweite Pflichtfremdsprache an Grundschulen eingeführt.